Geschichten vom Marschall - Teil 4

Die Grafen Tannenberg pachten den Wirtshof (Scheibengut)

 

Am 26. November 1731 verkaufte Josef Leonhard von der Halden Schloss Tratzberg und Burgfrieden (bezeichnete im Mittelalter einen Hoheitsbereich um eine Burg) samt allem, was dazu gehörte an

Josef Ignaz Reichsfreiherr von Tannenberg (da er noch nicht volljährig war, trat Franz Andre Freiherr von Sternbach als Kurator ein). Aus dem Original-Kaufbrief geht weiters hervor, dass die Tratzberger

Schlossherren ab sofort die niedere Gerichtsbarkeit und die Führung eigener Verfachbücher (= Grundbücher) ausüben durften und zur „Wirtstafern in Stans mit Braustattsgerechtigkeit“ noch die „Jägerey-und Fischgerechtigkeit“ dazu kam. Der „Wirtshof“ (Scheibengut) hatte also zusätzlich zur Weinschank die Konzession Bier brauen bzw. ausschenken zu dürfen. Weiters erwarben die Tannenberg

auch zahlreiche Höfe, Felder, Wiesen und Almen in der näheren Umgebung.

 

 

 Bevor wir uns dem gesamten Wirtsgut-Besitz bzw. Pacht-Umfang des Wirtsgutes widmen, hier ein Überblick über den Stammbaum der Grafenfamilie Tannenberg: Die Tannenberg stammen – wie die Tänzl – aus einem Gewerkengeschlecht (Gewerke ist die alte Bezeichnung für den Eigentümer eines Bergwerks). Schon 1433 wird Fridrich Tannauer als Landrichter zu Schwaz erwähnt, 1493 erhalten Andreas Martin und Simon („die Tannauer“) von König Maximilian I. einen Wappenbrief. Michael Tannauer, dessen Sohn Georg (1621–1689) aus Vomp bereits Gewerk- und Schmelzherr war, besaß schon um 1600 zwei Häuser in Schwaz und zwei Zehntelanteile am Bergwerk („Jenpacher Handel“). Georg wurde 1685 von Kaiser Leopold I. in den einfachen Adelsstand mit dem Prädikat „von Thannenberg“ erhoben.

 

 

 

Sein Sohn Joseph (1669–1721) führte den Silber- und Kupferbergbau in Schwaz mit Erfolg weiter und wurde dafür von Kaiser Joseph I. 1692 sogar in den erblichen Freiherrenstand erhoben. Joseph war zweimal verheiratet, sein Erbe trat Joseph Anton Ignaz an, Sohn aus zweiter Ehe, der 1732 Tratzberg erwarb. Dieser wurde 1737 in den Grafenstand erhoben und unter Kaiserin Maria Theresia Kammerherr. Joseph Anton Ignaz starb 1776 und hinterließ zwei Kinder: Tochter Leopoldina und Sohn Ignaz Josef Johann Graf von Tannenberg, der aufgrund seiner Grauen-Star-Erkrankung der „blinde Tannenberg“ genannt wurde. Nach 1796 wurde die Verwaltung seiner Güter, auch das Scheibengut bzw. der Wirtshof in Stans, unter dem Titel „Gräflich von Tannenbergischen Erbsunion“ geführt.

 

Als Landeshauptmannschaftsverwalter von Tirol wurde Ignaz Josef Johann Graf Josef Freiherr von Tannenberg, 1707, Kupferstich von Josef Waldmann Alois Graf Tannenberg, gestorben als letzter seines Geschlechtes 1846, Lithografie von Joseph Böckl von Tannenberg 1809 von den Bayern mehrere Monate festgehalten, sein Palast in Schwaz niedergebrannt. Sein ebenfalls blinder Sohn aus erster Ehe, Alois Graf

von Tannenberg (geboren 1771) übernahm die Verwaltung der vielen Familiengüter und heiratete Crescentia von Taxis, doch die Ehe blieb kinderlos, aus Angst vor der Vererbung der Augenkrankheit. Als die beiden Grafen Alois und Rudolf von Tannenberg im Jahre 1846 starben, starb auch das Geschlecht aus, obwohl die letzte Generation 21 Kinder umfasste. Graf Alois wollte dies noch mit der Adoption seines Neffen verhindern, dazu kam es aber leider nicht mehr. Nach 114 Jahren Tannenbergischer Herrschaft ging

1847 Tratzberg in den Besitz der Gräflich Enzenbergischen Familie über, da die einzige überlebende Schwester, Ottilia Gräfin von Tannenberg, Franz III. Graf Enzenberg geheiratet hatte.

 

Die Grafen von Tannenberg kaufen den Wirtshof

 

Unser Augenmerk gilt nun vor allem der Ausstattung und den Besitztümern des Wirtshofs. Eine Steuerdeklaration von Ignaz Josef Graf von Tannenberg (1743–1810) aus der Zeit um 1780 trägt den Titel „Fassion deren zur Probstey und Sanct Cataharina Capellen zu Trazberg gehörigen Effecten“. Darin wird erwähnt, dass zur Propstei und Sankt Katharinakapelle zu Tratzberg eine „Wirtsbehausung mit 3 Stuben, 1 Kueche, 6 Kamern, 1 Speisgewölbe, 1 Keller und 1 Backofen, nebst Stadl, reverendo Stallung, Hofstatt und Hof, dann Wagenschupfen, ein kleiner Krautkeller und neben dem Weinkeller eine große Bierkellerei“ gehörten. Bald danach haben die Grafen Tannenberg den Staner Wirtshof (Scheibengut) von den Georgenberger Benediktinern gekauft. Im Tiroler Landesarchiv liegt ein Dokument vor, das sich „Fassion von dem Graf Tannenbergischen Scheibenguth in Stanns Nr. 1“ nennt und worin sich Ignaz Josef Johann Graf von Tannenberg als Besitzer deklariert: „Ich, Endesgefertigter, besitze zu Stans das Scheibenguth sambt Wirthsbehausung…“ – und dann ausführlich die zum Wirtshof gehörigen Grundstücke anführt, ihre flächenmäßige Ausdehnung beschreibt und schließlich angibt, woran sie grenzen.

 

Hier ein kurzer Auszug:

Demnach gab es einen „Fruehgarten“ (25 Klafter), eine „Fruehwiesen mit Obstbäumen besetzt“ (909 Klafter), ein „Stuck Ackerstatt“ (7 Jauch, 828 Klafter), eine „Fru(e)hwiesen, der Marterwinkl“ genannt (1 Tagmahd, 17 Klafter), eine „Galtmahd, der Judenfreythof“ genannt (228 Klafter), eine „Ackerstatt auf dem Zufeld, der Bäcken- oder Griesacker“ genannt (1 Jauch, 238 Klafter), ein Stück Baugrund auf dem Kirchfeld (1 Jauch, 587 Klafter), eine Ackerstatt auf dem Kirchfeld, das „Kreuzackerl“ genannt (486 Klafter), ein Ackerfeld auf dem Niederfeld, der Aurain-Acker genannt (766 Klafter), ein „Stuck Rain oder Galdmad auf dem Zufeld, der Wisplrain“ genannt (4 Tagmad, 4 Klafter), eine „Fruehwiesen des Wisplrainbödeles“ (329 Klafter), ein „Stuck Wießmad in der Reitau, die Wirthsau“ genannt (2 Tagmad 356 Klafter), ein Stück „Heumo(o)s“ (8 Tagmahd 393 Klafter), ein „Stuck Heumooß in der Reitau, die Griesenböckau“ genannt (1 Tagmad 166 Klafter), eine „Eigenthumswaldung in Buechpach auf ain sogenannten Larchetboden“ (12 Morgen 400 Klafter), ein „Eigenthumswaldung in Schlagthurn“ (6 Morgen 94 Klafter), eine „Eigenthumswaldung bei der Häbergermarter [Heuberger Marter] oder Georgenthal“ (1 Morgen 400 Klafter), eine „Eigenthumbswaldung oder 6. Theil“, etc… Von diesen Habseligkeiten musste dem Kloster St. Georgenberg nur mehr ein „Rekognitionszins“ (= Anerkennungszins, pro forma) von 1 Gulden und „3 Hühner, 30 Ayr, 6 Manns- und 2 Weiberschichten“ ausbezahlt werden.